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Von der Unmittelbarkeit des Geistes -
Anmerkung zu Arbeiten der Künstlerin Soshana


von Hofrat Prof. Dr. Walter Koschatzky,
Direktor i.R. der Graphischen Sammlung Albertina

erschienen in "Die Gemeinde", Okt.1997

SOSHANA

Retrospektive
Gemälde und Zeichnungen 1945-1997

Palais Pàlffy 1010 Wien, Josefsplatz 6
9. - 19. Oktober 1997 - 19.30 Uhr

Unvorstellbare Grausamkeit hat in unserem Jahrhundert Massen von Existenzen vernichtet und auch zahllose Menschen entwurzelt. Ungezählte Schicksale, zerbrochene Lebensbahnen, zerstörte Hoffnungen. Wie tragisch in alldem sich eben die sensibelsten Naturen, die Künstler einer Zeit, verloren, weiß man aus einer Unfülle von Beispielen. Dennoch zeigt sich auch, dass aus persönlichem Leid, aus Verlorenheit genau das Umgekehrte zu entstehen vermag: verstärkte Kraft, Weltoffenheit, bedeutende Impulse durch Begegnungen, Erlebnisse, Vertiefungen.

Mir tritt ein solches Phänomen aus dem Werk von Frau Soshana besonders deutlich hervor. Sie, die gebürtige Wienerin, ist nicht zerbrochen, sondern gewachsen. Nun vermag wohl nichts so sehr von der tiefsten Empfindung eines Künstlers zu sprechen wie die Zeichnung. Hier entfaltet er sich ganz unmittelbar, ganz spontan und öffnet uns den Blick für Unaussprechliches; die Chiffre wird zum Träger der empfindsamsten Mitteilungen. Eben wie es in einem der eindrucksvollsten Sätze seiner Ästhetik-Vorlesung von 1817 G.W.Hegel formulierte: „Die Handzeichnung verdient höchstes Interesse, indem man das Wunder sieht, wie der Geist unmittelbar in die Hand übergeht.“

Die Pinselzeichnungen in Tusche oder Aquarell unserer Künstlerin, die aus dem Erlebnis China herrühren, die feinen Landschaften mit ihrer schwebenden Atmosphäre ebenso wie die kalligraphischen Kompositionen mit edlen Strichführungen und explosiven Akzenten sprechen für uns, die wir ihrer Kunst, ihrem Geist nachspüren dürfen, eine wunderbare Sprache von ihrer Kraft, Offenheit und einem tiefen inneren Reichtum.

Die in Wien 1927 geborene Künstlerin verbrachte einen Großteil ihres Lebens in Paris und New York; sie bereiste unzählige Male alle Länder dieser Welt. Zu ihren Freunden zählten die bedeutendsten Künstler und Intellektuellen unseres Jahrhunderts, unter anderem Giacometti, Brancusi und Picasso, der sie in den 50er Jahren des öfteren portraitierte. Seit 1985 lebt und arbeitet Soshana in Wien.